Schön schrecklich
Die allermeisten sind mit meiner Arbeit mehr als zufrieden gewesen und ich wurde häufig auf Partys, Feste und alle erdenklichen Events eingeladen.
Werner Mang, Schönheitschirurg
In Ägypten wurden schon vor 4.000 Jahren erste kosmetische Operationen vorgenommen. Das erste Facelifting in Europa gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seitdem haben sich die Möglichkeiten der Schönheitschirurgie radikal verändert. Sie erlauben dem modernen Menschen, Gesicht und Körper nicht mehr als „Schicksal“ hinzunehmen, sondern zu pflegen, formen, tunen, aufzuspritzen oder zu silikonieren, um ihn dem aktuellen Schönheitsideal anzupassen. Die Optimierungsmethoden scheinen unbegrenzt, alles ist erlaubt. Doch vom Reizvollen über das Begehrenswerte bis hin zum Riskanten, Zerstörerischen oder Skurrilen ist es oft nur ein schmaler Grat.
Mit seinem Werkzyklus „Fluch der Schönheit“ widmet sich Volker Bartsch vor allem der Kehrseite des Traums von ewiger Jugend. Denn der Versuch, Persönlichkeit und Charakter hinter einem künstlich gestalteten Gesicht zu verbergen, kann auf tragisch-komische Weise scheitern. Was der Künstler dabei entdeckt und ans Licht zerrt, hat mit unserer Vorstellung von betörender Jugend und Schönheit wenig zu tun. Schonungslos zeigt Bartsch verrutschte Wangenimplantate, hängende Augenlider und pralle Schlauchbootblippen.
Seine Protagonisten sind Gefangene: Gefangene ihres Körpers, Gefangene ihres Wunschdenkens, Gefangene der Erwartungen anderer, Gefangene der Zeit. Ihren Gesichtern kommt dabei eine besondere Rolle zu. Denn diese sind zugleich Ausweis und Ausdruck der Persönlichkeit. Bartsch fragt, was passiert, wenn Skalpell, Botox und Silikon das Verhältnis von außen und innen, getunter Erscheinung und wahrem Charakter verschleiern. Der Blick in den Spiegel ist darum für ihn ein zentrales Motiv (S. 25, 38, 39, 51, 66, 69). Denn dort finden seine „Schönen“ entweder ihr Wunschbild oder müssen feststellen, dass sie ihre Identität verloren haben und nicht mal mehr ihrem Spiegelbild trauen können.
Mit seiner Skulptur Helena verweist Volker Bartsch auf das klassische Schönheitsideal, um es anschließend zu brechen und zu vermuten, was die ehemals allerschönste Frau der Welt, wegen der Troja fiel, heute tun würde, wenn sie in die Jahre käme. In seinem Gemälde Die drei Grazien untersucht er, ob sich deren Anmut auch dann noch mitteilt, wenn sie alternd, gestrafft und übertrieben aufgedonnert um Aufmerksamkeit buhlen. Und der ewig junge italienische Bunga Bunga-Cavaliere präsentiert sich als Mona Lisa’s Urenkel. Auch in seinen Farbradierungen widersetzt sich der Künstler dem gängigen Schönheitskanon und irritiert die Sehgewohnheiten des Betrachters. Er erinnert an das amerikanische Ex-Playboy Model Jasmine Fiore, das nach seiner grausamen Ermordung im Jahr 2009 nur anhand der Seriennummern auf ihren Silikon-Brüsten identifiziert werden konnte und stellt ungeschönt das Gezeichnetsein durch Folgen der exzessiven Schönheitschirurgie in den Vordergrund.